Markt & Wettbewerb
Tattoorecht: Anzahlung oder Terminkaution?
Wer schon einmal ein Tattoo-Studio von innen gesehen hat, kennt die Branchenübung, dass die Tätowiererin bei der Verabredung eines Termins immer schon einen kleinen Geldbetrag vorab verlangt. Dieser Vorabbetrag wird häufig als Anzahlung, manchmal auch als Terminkaution bezeichnet. Dabei handelt es sich aber nicht bloß um synonym verwendbare und damit austauschbare Vokabeln, sondern diesen Begriffen liegen ganz unterschiedliche rechtliche Konstellationen und Rechtsfolgen zu Grunde.
Unter einer Anzahlung verstehen Juristen bereits eine Teilleistung des Schuldners, hier der Tattookundin, die eine Teilzahlung auf die geschuldete Geldleistung aus dem Tätowiervertrag an die Tätowiererin erbringt. Eine solche Anzahlung wird als Indiz für einen Vertragsschluss gewertet und kann nicht verfallen. Sie ist demnach zurück zu erstatten, wenn der Vertrag wieder aufgehoben wird.
Eine Kaution hingegen ist eine Sicherheitsleistung. Sie dient unter anderem dem Gläubigerschutz, weil die Tätowiererin nicht sicher sein kann, ob ihre Vertragspartnerin zum vereinbarten Termin auch wirklich kommt („No Show“).
Angewendet auf die Besonderheiten des Tätowiervertrages, der allgemein als Werkvertrag qualifiziert wird, ergibt sich folgendes Bild:
Nimmt die Tätowiererin eine Anzahlung, so ist dies zumindest als Indiz dafür anzusehen, dass ein Vertrag geschlossen wurde. Durch die von der Kundin erbrachte Vorleistung steht die Tätowiererin nun quasi unter Zugzwang, denn die Kundin darf nun bereits eine Gegenleistung fordern, wahrscheinlich sogar erwarten. Häufig ist der Fall anzutreffen, dass die vereinnahmte Anzahlung für die Vorarbeiten der Tätowiererin, wie zum Beispiel Entwurfszeichnungen, aufgewendet wird. Da diese aber durch die Anzahlung schon bezahlt sind, hat die Kundin bei Nichtzustandekommen des Vertrages wohlmöglich das Recht, diese Vorlagen herauszuverlangen.
Die Benutzung der Variante „Anzahlung“ führt auch dazu, dass der Vertragsschluss über den Tätowiervertrag zeitlich unnötig weit nach vorne verlegt wird. Weil aber gerade beim Tätowieren der exakte Vertragsgegenstand zwischen den Parteien, auch wegen der strafrechtlichen Einwilligung, von größter Bedeutung ist, sollte der Tätowiervertrag erst so spät wie möglich geschlossen werden. Der ideale Zeitpunkt ist der Moment, in dem die Vorlage endgültig an der richtigen Stelle auf der Haut platziert ist und die Kundin der Tätowiererin das Startsignal gibt.
Schließlich kommt hinzu, dass Anzahlungen zum Umsatz des Studios zählen und somit sowohl einkommens- als auch umsatzsteuerpflichtig sind. Bei der sogenannten Istversteuerung ist die Anzahlung sogar direkt wenn sie eingenommen wird zu versteuern, nicht erst bei Durchführung des Termins.
Ist der Tattoovertrag bereits geschlossen, kann die Kundin den Termin tatäschlich jederzeit und ohne Grund kündigen. Denn § 648 BGB räumt den Kunden im Werkvertragsrecht das Recht ein, den Vertrag zu jeder Zeit kündigen zu können. Dabei steht die Tätowiererin aber nicht ganz schutzlos dar, denn auf Basis der selben Norm kann sie bei Kündigung durch die Kundin die vereinbarte Vergütung verlangen. Allerdings mit zwei Einschränkungen. Erstens muss sich die Tätowiererin anderweitig erworbene Einkünfte anrechnen lassen. Kann also ein Termin mit etwa gleichem Volumen neu vergeben werden, erleidet die Tätowiererin keinen Einkommensausfall. Zweitens erhält die Tätowiererin nur den Lohn für den bereits erbrachten Teil der Arbeit. Dieser wird durch das Gesetzt mit 5% des Gesamtpreises vermutet. Ein höherer Lohnanspruch kann aber nachgewiesen werden.
Bei Kündigung durch die Kundin ist die Anzahlung zurückzuzahlen. Die Rückzahlung kann bar oder als Gutschein erfolgen. Hier gilt: sagt die Kundin nur aus Krankheit oder ähnlichen Gründen ab und wird wahrscheinlich wiederkommen, ist ein Gutschein eine gute Lösung. Besteht dagegen die Chance, die Kundin nicht mehr wieder zu sehen, empfiehlt sich eine Rückzahlung in bar.
Eine Terminkaution hingegen dient nur der Absicherung des Termins. Die Kundin hat jederzeit des Recht, den Termin abzusagen und die geleistete Kaution herauszuverlangen. Nach Abschluss der Tätowierung kann die Tätowiererin sodann ihren Lohnanspruch gegen die Kundin mit deren Rückzahlungsanspruch aufrechnen, so dass nicht erst umständlich die Kaution ausgehändigt und dann die Tätowierung bezahlt werden muss. Die Kaution stellt auch keine Einnahme im steuerrechtlichen Sinn dar, sie ist vielmehr eine Einlage, deren Eigentümer nach wie vor die Kundin ist. Sie ist getrennt vom restlichen Vermögen aufzubewahren, was durch eine eigene Kautionsbuchhaltung leicht zu bewerkstelligen ist. Für den Fall, dass die Kundin jedoch einfach nicht zum Termin erscheint, kann man den Verfall der Terminkaution vereinbaren.
Die Terminkaution wirkt zwar ein bisschen sperriger, sie erfordert auch ein wenig mehr buchhalterischen Aufwand, ihr kommen aber gegenüber der Anzahlung einige rechtliche Vorteile zu Gute, so dass es für Tattoo-Studios ratsamer erscheint, Terminkautionen anstelle von Anzahlungen zu verlangen. Egal für welchen Weg man sich entscheidet: Der Vorabbetrag ist immer individuell auszuhandeln und gehört niemals in die AGB. Solche Klauseln werden zumeist als unwirksam angesehen.