Markt & Wettbewerb
Kammergericht Berlin: Solidarische Risikoverteilung (50 : 50) im Falle einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung wegen der Corona-Pandemie
Durch Art. 240 § 7 EGBGB wurde – wie bereits an dieser Stelle berichtet – für Gewerberaummietverhältnisse eine gesetzliche (widerlegliche) Vermutung dahingehend getroffen, dass den Mieter beschränkende behördliche Maßnahmen einen Umstand i. S. von § 313 Abs. 1 BGB darstellen und somit einen Anspruch auf eine Vertragsanpassung in Form einer Mietreduzierung begründen können.
Zu dieser Thematik hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin in einem Urteil vom 01.04.2021 (8 U 1099/20) die nachfolgenden Feststellungen getroffen:
1. Das Kammergericht hat zunächst ausgeführt, dass dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne und demzufolge das für den Tatbestand des § 313 BGB erforderliche normative Element zu bejahen sei. Gegen das Vorliegen des normativen Elements spreche zwar zunächst, dass das Verwendungsrisiko bei Geschäftsraummietverträgen grundsätzlich beim Mieter liege und ein Rückgriff auf § 13 BGB nicht möglich sein soll, wenn es um Erwartungen oder Umstände geht, die nach der vertraglichen Vereinbarung in den Risikobereich nur einer Vertragspartei fallen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz soll jedoch in extremen Ausnahmefällen gelten, als welche das KG die Beschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie ansieht. Der staatlich angeordnete Shutdown stelle einen tiefgreifenden, unvorhersehbaren und außerhalb der Verantwortungssphäre beider Vertragsparteien liegenden Eingriff dar, welcher bei Mietvertragsabschluss vor der Pandemie mit Sicherheit nicht berücksichtigt worden sei.
2. In diesem Zusammenhang hat das KG weiterhin ausgeführt, dass ein Anspruch gemäß § 313 BGB nicht zwingend voraussetze, dass eine konkrete Existenzbedrohung für den Mieter besteht. Stattdessen soll es ausreichen, dass u.U. für den Mieter existentiell bedeutsame Folgen eintreten können. Diese wiederum seien zu vermuten, wenn eine angeordnete Schließung einen Monat oder länger dauert.
3. Hinsichtlich der Höhe der Mietreduzierung führt das KG aus, dass unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die Nachteile solidarisch von beiden Vertragsparteien zu tragen seien, weshalb bei vollständiger Betriebsuntersagung die Miete um die Hälfte zu reduzieren sei.
Eine Aussage über die Höhe der Mietreduzierung für Mieter, die ihren Betrieb zumindest eingeschränkt weiterführen konnten oder dies in zumutbarer Weise hätten tun können, trifft das KG bewusst nicht.
Die Entscheidung des KG steht im Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 24.02.2021. In beiden Fällen wurde die Revision zum BGH zugelassen. Dessen Entscheidung darf mit Spannung erwartet werden.